Am 24.03 referierte Herr Karl – Peter Naumann zum Thema Sicherheit im öffentlichen Verkehr.
Herr Dipl.-Chem. Karl-Peter Naumann (64) war nach seinem Studium der Chemie in verschiedenen Außendienst-Positionen im medizinisch-pharmazeutischen Bereich tätig. Im Ehrenamt ist er Mitglied im Bundes-
arbeitskreis Verkehrspolitik des Bundesverbandes deutscher Eisenbahnfreunde (BDEF) und Gründungsmitglied des Verkehrsclubs
Deutschland (VCD). Er war 16 Jahre lang Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dessen Ehrenvorsitzender er mittlerweile ist. Er ist Mitglied im Datenschutzbeirat der Deutschen Bahn und im Beirat der Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr (SÖP). Er ist Projektleiter des Projektes „Subjektive Sicherheit im Schienenverkehr“.
Der Referent erläuterte zunächst die Bedeutung des subjektiven Sicherheitsempfindens für die Akzeptanz des Verkehrssystems ÖPNV.
Zwar sei der ÖPNV gemessen an der Anzahl von Vorfällen erheblich sicherer als z.B. die Benutzung des Pkw, er werde jedoch auch aufgrund negativer Berichterstattung, aber auch durch Nicht – Bearbeitung des Themas durch die Verkehrsunternehmen in der öffentlichen Meinung als deutlich unsicherer wahrgenommen.
Dieses Empfinden wird von Reisenden und Mitarbeiter(inne)n der Verkehrsunternehmen gleichermaßen geteilt.
Ein erster Kontakt mit den Bahngewerkschaften führte im Jahr 2008 zu der Aktion „sicher unterwegs“ mit dem Ziel, dass Reisende und Beschäftigte nicht gegen – sondern miteinander für ein verbessertes Sicherheitsempfinden im ÖPNV zu sorgen hätten. Die Ergebnisse wurden anschließend in eine Betriebsvereinbarung übernommen
Ab 2013 nach beschlossen die in der Allianz pro Schiene vereinte Gewerkschaft EVG und der Fahrgastverband ProBahn erneut, in einem gemeinsamen Projekt die Frage der subjektiven Sicherheit von Bahnpersonal und Fahrgästen zu untersuchen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
Aus Beobachtungen und Umfragen sowohl bei Reisenden wie auch bei Mitarbeitern wurden innerhalb des Projekts Schlussfolgerungen gezogen, die in einen Forderungskatalog mündeten. Das Projekt wurde durch den „Fonds Soziale Sicherung“ gefördert.
Ausgangssituation:
In den Fahrzeugen fühlen sich Reisende relativ sicher, während es für das Personal einzelne Konflikte mit Reisenden gibt, die in Menge konstant sind, aber in ihrer Heftigkeit teilweise eskalieren.
Auf den Bahnhöfen hingegen fühlen sich Reisende deutlich unsicherer. Tätliche Angriffe gegen Mitarbeiter haben zwar in der Anzahl nicht zugenommen, jedoch werden den Mitarbeitern häufiger schwerwiegende Verletzungen zugefügt. Die Angriffe verteilen sich zu 34% auf „normale“ Fahrgäste, 24% Betrunkene, Obdachlose etc., 23% Schwarzfahrer, 14% Fußballfans. Bemerkenswert ist hierbei, dass sich vor allem Jugendliche im Verhältnis zur Gesamtheit der Fahrgäste unsicherer fühlen. Zugleich wird aber eine sichtbare Polizeipräsenz negativ bewertet, weil hierdurch sogleich der Eindruck entsteht, dass etwas nicht in Ordnung sei.
Der Referent führte zahlreiche Situationen vor, die Unsicherheitsempfinden erzeugten, aber auch positive Beispiele.
Exemplarisch wurde hier der Umgang mit Fußballfans genannt, deren Anwesenheit und Verhalten von Normalreisenden häufig als äußerst unangenehm empfunden wird, insbesondere auf längeren Fahrten. Sonderzüge für Fans sorgen hier für die notwendige Trennung von den übrigen Fahrgästen, der durch das Schalker Fanprojekt initiierte Verzicht auf Polizeibegleitung dieser Züge hat sich bewährt. Für die Züge steht brauchbares Material in Form von n - Wagen oder DR – Dostos zur Verfügung, jedoch sind noch nicht alle Aufgabenträger bereit, diese Züge, die in den meisten Fällen die Verbundraumgrenzen überqueren, zu bestellen. Es kann auch ausreichen, in Regelzügen den Fans bestimmte Wagengruppen zuzuweisen und die übrigen Fahrgäste vorab darüber zu informieren (Metronom).
Ein weiteres Thema ist die Gestaltung und laufende Unterhaltung von Bahnhöfen und Haltestellen. Positiv ist hier die Neugestaltung des Bahnhofes Gera zu erwähnen. Grundsätzlich empfiehlt sich eine helle transparente Ausführung ohne dunkle Nischen. Zudem müssen die Aufenthaltsbereiche laufend instand gehalten und regelmäßig gereinigt werden. Die Haltestelle sollte auch nicht menschenleer wirken, wenn kein Aufsichtspersonal vorhanden ist, genügen auch die vorhandenen Geschäfte, wobei allerdings das Angebot zum Reisezweck passen sollte (keine Raucherclubs, Spielhallen usw..). Diese Forderung gilt grundsätzlich, also auch in den Fällen, in denen das Stationsgebäude an Dritte oder an die Kommune veräußert wurde.
Fahrkartenautomaten stellen für ungeübte Benutzer häufig ein kaum überwindliches Problem dar, weil grundsätzlich Tarifsysteme und damit die Menuführung von Aufgabenträger zu Aufgabenträger variieren.
Missverständliche Anzeigen tragen ebenso zur Verwirrung bei wie ein unzutreffendes Ticketangebot. So werden gelegentlich für benachbarte Stationen Umsteigeverbindungen vorgeschlagen, ein günstigerer Verbundtarif nicht angeboten, oder eine bestimmte Relation wird nicht am Automaten verkauft, auch wenn der Fahrkartenschalter geschlossen oder gar nicht vorhanden ist. Positiv zu erwähnen ist hier die Norddeutsche Eisenbahngesellschaft (NEG) deren Zugpersonal nicht nur die eigenen Tickets, sondern auch Tickets für Anschlussfahrten (Schiffe, S-H – Tarif, oder nach Dänemark
Informationen müssen so richtig und vollständig sein, dass ein ortsfremder Reisender sein Ziel leicht findet, ohne zwischenzeitlich suchend und orientierungslos zu wirken, in dieser Situation würde er leichter Opfer von Überfällen. Ausbaufähig ist zudem die Information über Alternativverbindungen im Fall von Verspätungen.
Der aus den Ergebnissen der Befragung abgeleitete Forderungskatalog aus Sicht von Reisenden und Beschäftigten beinhaltet im wesentlichen
1) saubere Züge
2) sichtbares und aktives Personal in den Zügen
3) gut ausgebildetes Sicherheitspersonal
Er ist auf der Homepage der Allianz pro Schiene https://www.allianz-pro-schiene.de/publikationen/broschuere-sicherheitsempfinden-der-fahrgaeste/
abrufbar.
Der Referent schloss mit dem Fazit, dass Politik und Aufgabenträger erkennen müssten, dass nur mit mehr Personal vor Ort das subjektive Sicherheitsempfinden von Reisenden und Mitarbeiter(inne)n gesteigert werden kann, wobei er als abschließendes Positivbeispiel die Salzburger Lokalbahn mit ihrem personalintensiven Betrieb herausstellte. Dieser Betrieb arbeitet trotz erhöhtem Personaleinsatz keinesfalls unwirtschaftlicher als andere Verkehrsunternehmen, weil vermiedene Vandalismusschäden und Einnahmesaufälle durch Schwarzfahrer den personellen Mehrbedarf ohne weiteres ausgleichen.
Die zum Vortrag gezeigte Präsentation Teil 1 und Teil 2
Weitere Information unter
http://www.fonds-soziale-sicherung.de/projekte/projekt-security/