Am 28.10.2014 referierte Herr Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg – Essen zum Thema „Schlüsseltrends in der Automobilindustrie“.
Herr Prof. Dudenhöffer promovierte 1983 nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim In den Folgejahren war er tätig als Analyst Business Plan / Marketing für die ADAM OPEL AG, als Leiter Marketing-Strategien & Research für die Dr. Ing. h.c. F. PORSCHE AG, als Verkaufsdirektor und Direktor Filialen für den PEUGEOT DEUTSCHLAND PSA-Peugeot - Citroen Konzern und als Direktor Netzentwicklung CITROEN DEUTSCHLAND AG KÖLN des PSA-Peugeot Citroen Konzerns. Von 1996 – 2008 übernahm er die Professur für Marketing und Unternehmensführung am Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Fachhochschule Gelsenkirchen und übernahm von 2000 – 2008 die Direktion des CAR – Center of Automotive Research der Fachhochschule Gelsenkirchen. Im Oktober 2008 gründete er das CAR – Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen und ist seitdem
dort Direktor. Ebenfalls seit Oktober 2008 ist er Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Fakultät Ingenieurswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen.
Maßgeblich für die künftige Fahrzeuggestaltung und Orientierung der Hersteller ist zuerst die künftige weltweite Marktentwicklung: Die gesättigten Märkte, die sog. Triaden, bestehend aus (West-) Europa, USA / Kanada und Japan mit Pkw – Dichten von 400 – 750 / 1000 Ew. werden in den kommenden Jahren bis 2025 nur noch einen Weltmarktanteil von 18% gegenüber heute 35% repräsentieren und damit nicht mehr im Focus der Fahrzeughersteller stehen. Dagegen wird der Anteil Chinas allein von derzeit 6% auf 35% ansteigen und damit auch die Gestaltung der künftigen Fahrzeuge maßgeblich bestimmen. Auch Länder wie Indien mit einer derzeitigen Pkw – Dichte von lediglich 10 / 1000 Ew. gewinnen als Absatzmärkte zunehmend an Bedeutung. Ein gesteigerter Pkw – Absatz kommt in einem Land jedoch nur bei entsprechendem Wirtschaftswachstum und einer deutlichen Zunahme der privaten Einkommen in Gang, eine hohe Pkw – Dichte ist damit zugleich ein Wohlstandsindikator. Mit Abnahme der Marktanteile sinkt zugleich die Bedeutung von Produktionsstandorten in Europa und in Deutschland, wo derzeit noch etwa 750.000 Personen allein bei den Fahrzeugherstellern und – zulieferern beschäftigt sind. Der Wertschöpfungsanteil bei der Herstellung eines Pkw liegt mittlerweile zu 75% bei den Zulieferern mit steigender Tendenz. Die Belieferung des Montagebandes erfolgt nicht mehr nur „just in time“ sondern „just in sequence“, d.h. in der Reihenfolge abgestimmt auf die durch den Hersteller festgelegte Produktionsreihe unterschiedlicher Fahrzeuge am gleichen Band. Auch bei den Zulieferern ist eine Tendenz zu Zusammenschlüssen und Großstrukturen zu verzeichnen, so dass Preisverhandlungen mit den Herstellern auch aus einer Position der Stärke heraus geführt werden können. Kleinere Zulieferer können hingegen Preissenkungswünschen nicht entgegentreten, wenn sie an den Hersteller mit einem hohen Umsatzanteil gebunden sind. Sie werden daher zunehmend unter Druck geraten.
Als künftige Schlüsseltrends nennt Prof. Dudenhöffer folgende Punkte:
1) Billigauto:
Der rumänische Hersteller Dacia hat seit seinem Start europaweit beachtliche Marktanteile hinzugewonnen und auch in Deutschland mit inzwischen 2,5% andere Hersteller überholt, die deutlich länger am Markt sind. Kostenvorteile werden durch die Produktion in Niedriglohnländern wie Rumänien oder Marokko erzielt, in denen sich auch eine personalintensive Fertigung mit zugleich geringem Automatisierungsgrad rechnet. Im Gegensatz zu den osteuropäischen Produktionsstätten anderer Hersteller, die sich in Automatisierungsgrad und Fertigungsabläufen nicht von den westeuropäischen oder asiatischen Stammwerken unterscheiden, verzichtet Renault bei der Tochter Dacia bewusst auf teure Automaten. Aufwändige Just – in - time – Belieferung wird teilweise wieder durch Lagerhaltung ersetzt. Die günstigen Preise ermöglichen daher auch in Ländern mit geringerem Pro – Kopf – Einkommen den erstmaligen Erwerb eines Pkw.
2) Komfort, Vielfalt
Seit Beginn der 1990`er Jahre hat sich die Zahl der verfügbaren Karosserie – Varianten bei den großen Herstellern um ein Vielfaches vermehrt. Dies ist u.a. ein Erfolg des „Baukastenprinzips“, welches dort mittlerweile flächendeckend zum Einsatz kommt. Der Trend zur immer stärkeren Individualisierung bei den Käufern sorgt für hinreichenden Absatz. Als Beispiele für neue Fahrzeugformate nannte Prof. Dudenhöffer SUV`s und Luxus – Kleinwagen. Die Gesamtzahl der aus dem Angebot von BMW realisierbaren Fahrzeugvarianten liegt bei 1032. Hersteller die diesen Trend nicht mitgemacht haben, sind ins Hintertreffen geraten.
3) Sicherheit
Das eindeutig entscheidende Element für mehr Sicherheit im Autoverkehr ist nach Meinung des Referenten die fortschreitende Automatisierung, Fahrerassistenzsysteme bis hin zu autonomem Fahren (Google). Die für Verkehrsunfälle wesentliche Fehlerquelle menschliches Versagen könnte so vermieden werden. Versicherungsleistungen für Unfallreparaturen in Höhe von jährlich 18 Mrd. € in Deutschland würden eingespart. Mittlerweile lassen 3 Staaten in den USA, Florida, Kalifornien und Nevada das automatisierte Fahren zu.
4) CO2 – Einsparung / E - Mobilität
Umweltfreundliche Technologien sind für die meisten Käufer nach wie vor kein vorrangiges Kaufargument. Bei der Auswahl zwischen einem Fahrzeug mit weniger Verbrauch und einem mit höherer Leistung, würde zumeist dem stärkeren Fahrzeug der Vorzug gegeben. Fortschritte im Bereich CO2 – Minderung o.ä. sind daher nur durch Vorgaben des Gesetzgebers auf nationaler bzw. EU – Ebene zu erreichen. Zwar bemühen sich vor allem die deutschen Hersteller regelmäßig und auch erfolgreich, strengere Vorschriften durch politische Einflussnahme zu verhindern, dennoch können auch sie wie alle übrigen Hersteller bedeutende Fortschritte bei Verbrauch und Abgas verzeichnen. Zum Erfolg tragen auch ältere Techniken wie 3 – Zylinder – Motor oder Start – Stopp – Automatik bei, die bei den Herstellern lange Zeit nicht populär waren.
Rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge begegnen nach wie vor größeren Vorbehalten hinsichtlich mangelnder Reichweite. Prof. Dudenhöffer untersucht in verschiedenen Projekten die Möglichkeiten, Elektroautos den Kunden so zu präsentieren, dass über das informelle technische Interesse auch ein Kaufwunsch entsteht. Eines dieser Projekte ist ein ruhrgebietsweites E – Car – Sharing – Angebot http://www.ruhrautoe.de/ . Die Fahrzeugflotte besteht aus zahlreichen unterschiedlichen Modellen, so dass der Kunde die Möglichkeit hat, ein für seine Zwecke geeignetes Fahrzeug im Alltagsbetrieb zu testen.
Die Akzeptanz in den einzelnen Städten ist jedoch bislang sehr unterschiedlich. In „zu reichen“ oder „zu armen“ Städte wird von dem Angebot aus unterschiedlichen Gründen wenig Gebrauch gemacht, in Universitätsstädten ist die Nachfrage dagegen so hoch, dass sich die Fahrzeuge finanziell bereits selbst tragen. Zur besseren Übersicht für die Kunden schlägt Prof. Dudenhöffer eine einheitliche Anbieter – Plattform bzw. ein Lizenz – Verfahren vor, so dass dem Kunden alle Angebote zur Verfügung stehen.
5) Sharing – Modelle
Neben der Einführung von Elektroautos bieten Sharing – Modelle aller Art auch künftig ein wachsendes Betätigungsfeld für Anbieter aus der Fahrzeugindustrie, sowie aus der Verkehrsbranche (Taxi-, ÖPNV – Unternehmen, UBER sowie weitere neue Anbieterformen)
Darüber hinaus befasst sich Prof. Dudenhöffer derzeit mit der Ausgestaltung und Stabilität von Wertschöpfungsketten. Das Baukastenprinzip erfordert häufig große Stückzahlen gleicher Bauteile, die für alle Fahrzeuge dieser Art verwendet werden. Werden diese Teile infolge hohen Preisdrucks nicht mehr in der notwendigen Qualität geliefert, fallen Rückrufe mit einer im Vergleich zu früheren Aktionen deutlich höherer Zahl betroffener Fahrzeuge an, wobei zunehmend elektronische Bauteile die Verursacher sind.
Weitere Informationen unter https://www.uni-due.de/car/