Prof. Dr. Maria Limbourg, Universität Duisburg – Essen: Verkehrssicherheit von Kindern und Jugendlichen

Vortrag von Prof. Dr. Maria Limbourg Universität Duisburg – Essen am 29.03.2011

Am 29.03.2011 referierte Frau Prof. Dr Maria Limbourg von der Universität Duisburg – Essen

zum Thema „Verkehrssicherheit von Kindern und Jugendlichen“

In den Untersuchungen zu spezifischen Verkehrsproblemen junger Menschen werden zunächst 3 Gruppen gebildet und separat untersucht. Die Gruppe „Kinder“ reicht dabei bis zum 15. Lebensjahr, „Jugendliche“ vom 15. bis 18. Lebensjahr und schließlich die Gruppe der „jungen Erwachsenen“ im Alter von 18 – 25.

 

In der jüngsten Gruppe der Kinder sind die Unfallzahlen in 2010 gegenüber 2009 leider wieder angestiegen, wobei zwischen Jungen und Mädchen erhebliche Unterschiede, bestehen. Während die getöteten Kinder insgesamt mit Abstand am meisten als Beifahrer im Pkw verunglückten, steht für die Jungen der Unfall mit dem Fahrrad an der Spitze der Todesursachen.

Der ÖPNV / Schulbus blieb ohne tödliche Unfällen und ist damit das eindeutig sicherste Verkehrsmittel.

Der Verursacher – Anteil der Kinder an Straßenverkehrsunfällen ist  deutlich geringer als gemeinhin angenommen wird. Während das Kind in lediglich 50% aller Fußgänger-Unfälle als Verursacher anzusehen ist, sind es in den als besonders häufig empfundenen Fahrradunfällen sogar nur 40%.

Das häufigste unfallauslösende Fehlverhalten von Kindern als Fußgängern besteht im plötzlichen Laufen auf die Fahrbahn oder Hervortreten zwischen Sichthindernissen

Kinder als Radfahrer verunglücken zumeist durch falsches Linksbbiegen, Fahrstreifenwechsel oder andere Vorfahrtsverletzungen. Das unfallverursachende Fehlverhalten von Autofahrern besteht zumeist in Abbiegeverstößen, Missachtung von LZA und Geschwindigkeitsbeschränkungen, sowie verbotswidrigen Halten und Parken.

 

Bei Verkehrserziehung und anderen präventive Maßnahmen, die beim Kiund selbst ansetzen, ist zu berücksichtigen, dass die Wahrnehmung von Kindern – vor allem im Alter von unter 8 Jahren -  noch wenig ausgeprägt ist, und insbesondere weder ein Gefahrenbewusstsein noch eine sichere Entfernungs- und Geschwindigkeitswahrnehmung besteht. Zudem ist ihr Blickfeld enger und zusätzlich wird ihre Sicht auf das Verkehrsgeschehen bereits durch parkende Pkw behindert.

 

Kinder sind leicht abzulenken und können sich auch noch nicht auf 2 Dinge gleichzeitig konzentrieren. Sich in andere Personen hineinversetzen und deren Verhalten abzuschätzen können sie erst ab dem 7. Lebensjahr. Bis dahin wird das eigene Verhalten auch auf andere übertragen, so dass nach Auffassung kleiner Kinder Autos Augen haben, sehen und ebenso schnell anhalten können wie das Kind selbst.

Die motorischen Fähigkeiten für ein sicheres Radfahren oder Skaten sind erst ab 8 Jahren hinreichend ausgeprägt.

 

Zur Verbesserung der Unfallsituation ist daher allein die Verkehrserziehung nicht ausreichend, erforderlich sind weitergehende Maßnahmen auf dem Gebiet der Verkehrsraumgestaltung, der Gesetzgebung und der Verkehrsüberwachung.

 

So ist eine Reduktion der Geschwindigkeit auf 30 km/h nicht nur in der Umgebung von Schulen und Kindergärten dringend erforderlich. Die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Fußgängers liegt bei einem Pkw – Aufprall mit dieser Geschwindigkeit immerhin noch bei 70% und sinkt mit zunehmender Aufprallgeschwindigkeit ab und beträgt bereits bei 60 km/h 0%. Weitere wirksame Regelungsinstrumente wären eine Verhinderung des Parkens auf Gehwegen oder auch eine Trennung der Grünzeiten von Fußgängern und Linksabbiegern.

 

Als Gestaltungselemente haben sich aufgepflasterte Zebrastreifen, „Gehwegnasen“ zur Verbesserung der gegenseitigen Sicht, sowie Fußgängerinseln, ggfs. mit Versatzgittern, bewährt.

Radwege sind ebenso ausreichend zu dimensionieren wie die Haltestellen des ÖPNV. Mittelinseln an Straßenbahnhaltestellen bieten häufig nicht genügend Wartefläche, wenn nach Schulschluss eine größere Zahl Schüler dort eintrifft.

 

Polizeiliche Verkehrsüberwachung sollte auch die Belange von Kindern im Straßenverkehr berücksichtigen, wobei die Aufklärung von Kraftfahrern sicherlich einen gleichgewichtigen Schwerpunkt zur Verkehrserziehung der Kinder bilden muss. Bewährt haben sich hier Geschwindigkeitsmessungen mit Dialog – Displays und die Überwachung des ruhenden Verkehrs vor Schulen; erfahrungsgemäß zeigen dort Eltern das meiste Fehlverhalten.

Ebenso sind Fußgänger Vorbild für Kinder, das korrekte Verhalten an Fußgängerampeln  ist daher ebenfalls zu überwachen.

 

Im Auto selbst fallen  häufig falsch montierte Rückhaltesysteme und unsachgemäß angeschnallte Kinder auf. Die zunehmende Anzahl älterer Kraftfahrer kann eine weitere Gefahrenquelle darstellen, wenn diese tagsüber vermehrt unter Medikamenten – Einfluss fahren.

 

Verkehrserziehung ist vor allem Aufgabe der Eltern, wobei diese bei schwierigen sozialen Verhältnissen und bei Migrantenfamilien häufig schwer zu vermitteln ist. Im Kindergarten können kleinere Übungen zur Verbesserung der Motorik, wie z.B. das Bewegen mit einem Laufrad geübt werden, Fahrradfahren kann im Schonraum ab 3. Schuljahr, im Straßenverkehr ab der 4. Klasse erlernt werden, wobei die Eltern auf die Verkehrssicherheit des Rades ebenso achten sollen wie auf das Tragen des Helms. Inlineskaten und vergleichbare Fortbewegungen können ebenfalls in dieser Zeit erlernt werden.

Das Schulwegtraining kann nur im realen Straßenverkehr stattfinden, und das Kind muss so lange begleitet werden, bis es den Schulweg sicher beherrscht.

Reflektoren an der Kleidung sind auf dem Schulweg in einigen Ländern bereits Pflicht.

Für die Benutzung des ÖPNV bieten  die Verkehrsunternehmen ab der 4. Klasse „Busschulen“ an. Preisgünstige Tickets gewöhnen die Kinder frühzeitig an die Benutzung des ÖPNV und leisten damit einen Beitrag für ein künftiges verantwortungsbewusstes Mobilitätsverhalten.

Zur praktischen Anschauung empfahl Frau Dr. Limbourg ihre Anordnung zur Demonstration des „toten Winkels“ von Lkw und den Melone – bzw Ei – Versuch zur Nützlichkeit eines Helms

 

In der Gruppe der Jugendlichen steht als häufigste Todesursache der Verkehrsunfall mit einem Pkw oder Motorrad im Vordergrund, Mädchen sind hier vorwiegend als Mitfahrerinnen betroffen.

Auch für diese Altersgruppe stellt sich der ÖPNV als sicherstes Verkehrsmittel dar.

 

Zu dem allgemeinen Fahranfänger – Risiko tritt hier ein jugendspezifisches Risikoverhalten, welches durch Alkoholgenuss und anschließende „Mutproben“ – zumeist im Straßenverkehr - verstärkt wird.

Die Aufklärungsarbeit zu Alkohol im Straßenverkehr sollte bereits in der Schule spätestens jedoch in der Fahrschule stattfinden. Veranstaltungen mit der Polizei, Verkehrsopfern und ggfs. Unfallverursachern erzielen hier eine nachhaltige Wirkung.

Dazu bringt Frau Dr. Limbourg auch eine „Alkoholbrille“ zum Einsatz, die die Sichtverhältnisse bei 1,5 Promille BAK simuliert, und mit der die Schüler einen Parcours bewältigen müssen.

Die Einführung des Führerscheins mit 17 und begleitetem Fahren wertete die Referentin als erfolgreich, das Fahrverhalten mit 18 sei dadurch erheblich sicherer geworden.

Für die effektivste Maßnahme zur Vermeidung von „Diskounfällen“ hält sie den Einsatz von ÖPNV – Nachtnetzen um das Autofahren von vornherein überflüssig zu machen. Weiterhin unverzichtbar sei auch die polizeiliche Verkehrsüberwachung in der Nähe von Disko – Standorten.

Ein erfolgreiches Beispiel aus Großbritannien sind die „BOB“ – Kampagnen: In eine Gruppe von Diskothekenbesuchern werden einer oder mehrere BOB`s verpflichtet, die an diesem Abend alkoholfreie Getränke gratis erhalten, und dafür die anderen nach Hause fahren. Noch weitergehende Aufgaben erfüllen die „Schutzengel“ im Kreis Gütersloh.

 

Weitergehende Fundstellen und Links:

 

Schutzengel im Kreis Gütersloh:  http://www5.be-my-angel.de/

 

Aufklärungsfilme zu Risikoverhalten im ÖPNV http://www.evag.de/evag_macht_schule0.html

 

Unfallkasse NRW: Kinder unterwegs im Straßenverkehr: http://unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/praevention_in_nrw/praevention_nrw_12.pdf

 

Universität Duisburg – Essen: http://www.uni-due.de/traffic-education/

 

Die zum Vortrag gezeigten Präsentationsfolien finden Sie im Download - Bereich