Podiumsdiskussion zur Landtagswahl 2017

Abendveranstaltung der BV Rhein-Ruhr-Westfalen mit großer Resonanz

Am 28.03. hatte die BV Rhein-Ruhr-Westfalen die verkehrspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen zu einer Podiumsdiskussion unter Leitung von Prof. Michael Schreckenberg eingeladen.

Es nahmen teil:

Herr MdL Klaus Voussem, CDU

Herr MdL Andreas Becker, SPD

Herr MdL Rolf Beu, Bündnis 90/Grüne

Herr MdL Christof Rasche FDP

Nach jeweils 2-minütigen Eingangsstatements zu den verkehrspolitischen Zielen ihrer Parteien eröffnete Prof. Schreckenberg die Diskussion zu folgenden Themenkomplexen:

Luftverkehr:

Von den Flughäfen in NRW weisen lediglich Düsseldorf sowie Köln/Bonn steigende Passagierzahlen aus. Zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit auch der kleineren Airports sowie zur Entlastung der Anwohner an den großen Flughäfen wäre eine Umverteilung des Verkehrsaufkommens von den großen zu den kleinen Flughäfen sicher hilfreich. In einem deregulierten Luftverkehrsmarkt bestehen jedoch keine wirksamen Handhaben gegenüber den Fluggesellschaften, zudem fehlt es sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene an einem entsprechenden Luftverkehrskonzept und klarer Aufgabenzuweisung für die einzelnen Flughäfen. Unterschiedliche Auffassungen gab es zur Fortsetzung des Nachtflugbetriebs auf dem Flughafen Köln/Bonn. Dagegen gab es allgemeine Zustimmung zu lärmabhängigen Start-und Landegebühren.

Radverkehr:

Es besteht ein erheblicher Nachholbedarf bei der Schaffung geeigneter Infrastruktur für den Radverkehr. Umstritten war allerdings eine mögliche Umverteilung von innerstädtischen Verkehrsflächen. Ebenso wurde der Verkehrswert von Rad-Schnellwegen gerade für die Alltagsmobilität in Frage gestellt. Der Rad-Schnellweg Ruhr RS1 ist mit seiner Gesamtlänge von über 100 Km im wesentlichen auch ein touristisches Angebot, die für tägliches Berufspendeln mit dem Fahrrad geeigneten Distanzen liegen jedoch deutlich darunter. Als Alternative zu dieser Sonder-Infrastruktur wurde stattdessen der Ausbau der Radwege an bestehenden Straßen vorgeschlagen, hierdurch könnte bei knappen Kassen letztlich mehr für den Radverkehr erreicht werden. Auf der anderen Seite ist ein Rad-Schnellweg immer kostengünstiger als eine entsprechende Straße oder Schienenstrecke und bietet ein erhebliches Verlagerungspotential hin zum Radverkehr.

Eisenbahn:

Allgemein beklagt wurde eine nachrangige Behandlung der Schienenverkehrsprojekte aus NRW im Vergleich mit anderen Bundesländern. Selbst Teilabschnitte des RRX schafften es erst nachträglich in den vordringlichen Bedarf. Die Inbetriebnahme ist für 2030 angedacht, pessimistische Prognosen gehen erst von 2040 aus. Zu Verzögerungen kann es hier durch Anwohnerklagen im Bereich Angermund kommen. Der "Eiserne Rhein" und der zweigleisige Ausbau Lünen-Münster haben dagegen weiterhin keine Aussicht auf Realisierung. Da der Hafen Antwerpen in den nächsten Jahren mit 50% zusätzlichem Frachtaufkommen rechnet, ist zu befürchten dass der zusätzliche Hinterlandverkehr ausschließlich über die Straße abgewickelt wird, die bestehenden Schienenwege bieten dagegen keinerlei Reserven mehr.

Die Ausbaustandards bei der Schiene sind grundsätzlich zu gering. Der gerade erst angelaufene 3-gleisige Ausbau der "Betuwe"-Linie Oberhausen-Emmerich bietet lediglich eine Zusatzkapazität von 30-40% eines 4-gleisigen Ausbaus.  Die Strecke dürfte zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme bereits wieder überlastet sein.

Straße:

Erwartungsgemäß unterschiedlich waren die Auffassungen beim Thema Pkw-Maut: Zwar wird der Einstieg in eine nutzungsabhängige Finanzierung  der Straßeninfrastruktur grundsätzlich begrüßt, bei dem vorgesehenen Modell des BMV wird jedoch eine zu geringe Einnahmeergiebigkeit im Verhältnis zu den Kosten befürchtet. Zudem würden die bisher mautfreien Nachbar-Staaten Belgien und Niederlande dann wohl ebenfalls eine Maut erheben, so dass in Mitteleuropa ein kleinräumiger Flickenteppich unterschiedlicher Mautregelungen entstünde. Grundsätzlich umstritten war auch die Frage, ob für die Straße überhaupt ein zusätzlicher Finanzbedarf besteht. Die Beantwortung hängt im wesentlichen von der Zulässigkeit der Einrechnung zweckungebundener Steuereinnahmen (Kfz- / Mineralölsteuer) ab.

In der aktuellen Diskussion um die Schadstoffbelastung der Innenstädte herrschte Einigkeit, dass Fahrverbote als allerletztes Mittel möglichst zu vermeiden sind. Die Wirksamkeit der "blauen Plakette" wurde dagegen unterschiedlich beurteilt. Eine Sperrung der Innenstädte kann nur durch massiven Ausbau des ÖPNV in Verbindung mit einer weitgehenden Elektrifizierung der ÖPNV- und anderer Fahrzeuge im innerstädtischen Verkehr vermieden werden. Die Teilnehmer beklagten allerdings, dass derzeit in dem besonders förderungswürdigen Fahrzeugsegment Elektrobus keine deutschen Hersteller vertreten seien.

Zukunftsperspektiven:

Abschließend wurden die Diskutanten noch befragt, welche Entwicklungen für im Verkehrssektor sie für besonders zukunftsfähig einschätzten. Genannt wurden hier weitere Digitalisierung, Schaffung des Rechtsrahmens für autonomes Fahren, Elektrofahrzeuge sowie im öffentilchen Verkehr nachfragegesteuerte autonome Bussysteme, Sharing-Systeme für Pkw und Fahrräder und kostengünstige Schienenverkerssysteme wie z.B.urbane Seilbahnen.

Die Veranstaltung endete mit gemütlichem Beisammensein und interesanten Gesprächen