Mit welcher Mobilität wollen wir leben? Erkenntnisse aus den Arbeiten zur Internationalen Bauausstellung 2027 in Stuttgart

Vortrag von Herr Prof. Dr. techn. Jörg Schönharting, Transportation Research and Consulting GmbH, Essen

Am 23.05. referierte Herr Prof. Dr. techn. Jörg Schönharting, Transportation Research and Consulting TRC GmbH, Stuttgart und Ratingen in einem gut besuchten Vortragstermin zum Thema

„Mit welcher Mobilität wollen wir leben? Erkenntnisse aus den Arbeiten zur Internationalen Bauausstellung 2027 in Stuttgart“

 

Beruflicher Werdegang des Referenten:

1961 – 1966 Studium des Bauingenieurwesens an den Universitäten Stuttgart und RWTH Aachen, Abschluss: Dipl.-Ing.

1967 – 1969 Assistent an der Dozentur für Verkehrsstatistik der RWTH Aachen, Mitarbeiter im Ingenieurbüro Heusch-Boesefeldt, Aachen

1970 – 1973 Assistent an der TH Wien, 1973 Promotion

1973 – 1975 Büroleiter des Ingenieurkonsulenten Prof. Dr.-Ing. Steierwald, Wien

1975 – 1996 Gesellschafter und GF der Steierwald Schönharting und Partner GmbH

1996 – 2006 Universitätsprofessor und Leiter des Fachgebiets Verkehrswesen und Verkehrsbau an der Universität Essen 2006

– heute geschäftsführender Gesellschafter der Transportation Research and Consulting GmbH.

Der Referent beschrieb zunächst die Interessenlagen aus Sicht der beteiligten, zum einen der öffentlichen Hand und zum anderen aus privater Sicht, sowohl als Anbieter wie als Nutzer von Mobilitätsdienstleistungen

Der Klimaschutz als wichtigstes politisches Ziel ist zwar im öffentlichen Bewusstsein angekommen, der  private Bereich ist allerdings weitgehend noch nicht soweit, dies obwohl Deutschland weltweit zu den 10 stärksten Emittenten gehört, der Anteil des Verkehrs an den Immissionen von 13% auf 19% gestiegen ist und das Pariser Klimaschutzabkommen  eine Reduktion um -55% der Immissionen auf Basis des Jahres 1990 bis  2030 vorsieht.

Die Corona- bedingten Rückgänge bei den Emissionen bedeuteten keine nachhaltige Entwicklung, vielmehr wurde in dieser Zeit der Pkw wieder attraktiv. Dagegen sieht das Leitbild des Baden-Württembergischen Verkehrsministeriums bis zum Jahr 2030 eine Verdoppelung des ÖPNV, eine Reduktion des MIV in den Städten  um  33%, einen E-Auto Anteil von 33% vor. Jeder 2. Weg soll „aktiv“ zurückgelegt und , jede 3. Tonne klimaneutral befördert werden

Anlass für die IBA 27 in Stuttgart ist das 100-jährige Bestehen der Weissenhofsiedlung.

Ziel der IBA ist ein quartiersbezogener Ansatz zum energiesparenden und klimagerechten Umbau und zur Nachnutzung aufgegebener stadtbildprägender Gewerbebauten. Bevorzugt werden Freizeit- Wohn- und  ggfs. Gewerbenutzungen. Bis 2027 sollen 79 Projekte umgesetzt sein.

Innerhalb der IBA wurde eine AG „Smart Mobility in a smart city“ zur Bearbeitung der verkehrlichen Aspekte gegründet. Diese soll Ideen zur zukünftigen Mobilität in IBA-Quartieren auf Basis der verkehrsplanerischen Expertise entwickeln.

Die Aufgabenstellung zu Beginn lautete, die Anforderungen an ein Umbauprojekt Karl-Benz-Platz aus der Sicht des Autoverkehrs, der Radfahrenden sowie der ÖV- Nutzer zu formulieren, wobei ÖPNV und Fußverkehr gemeinsam betrachtet wurden. Es wurde deutlich, dass bei konkurrierenden Nutzungsansprüchen der Verkehrsarten ein Flächenproblem auftritt, für welches die Arbeitsgruppe die Schaffung zusätzlicher Verkehrsebenen vorschlägt, wobei sowohl der fließende wie ruhende Pkw-Verkehr aus der Oberfläche  in Tunnel / Tiefgaragen  verlagert werden soll. Das CO2 – Minderungspotential aller Maßnahmen zur Stärkung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes wird auf  bis zu 59% geschätzt.

Eine Befragung der mobilen Personen nach möglichen persönlichen Verhaltensänderungen zum Erreichen der Klimaziele im Verkehr ergab, dass der Umstieg vom Pkw auf das Fahrrad / Pedelec mit deutlichem Abstand am häufigsten genannt wurde. Dagegen waren die wenigsten bereit, zur Minderung des Verkehrsaufwandes näher an ihren Arbeitsplatz zu ziehen.

Insgesamt ist das Potential zur Veränderung des Modal Split durchaus als sehr hoch einzuschätzen, Führerscheinbesitz, Verfügbarkeit eines Pkw oder Fahrrades liegen bei weit über 80%, Zeitkarten des ÖPNV besitzen immerhin 2/3 der befragten. Zur Finanzierung der Maßnahmen sind eine Nahverkehrsabgabe, die sowohl von den Einwohnern, wie den Einpendlern zu bestreiten ist, und eine tageszeitabhängige Citymaut angedacht.

Letztlich ist aber Mobilität und die Wahl eines Verkehrsmittels immer eine individuelle Entscheidung, die sehr oft von eingefahrenen Verhaltensmustern geprägt ist. Veränderungen sind daher nur längerfristig zu erwarten. Insgesamt kommt die Arbeitsgruppe zum Ergebnis, dass eine deutliche Verschiebung des Modal-Split-Anteils zur Erreichung der Klimaziele erforderlich ist. Zugleich sollen aber alle Verkehrsarten incl. des Autos – vorwiegend als Sharing-Angebot -  ihre Bedeutung behalten um eine breite Akzeptanz der Maßnahmen sicherzustellen.

In der anschließenden Diskussion wurden u.a. die Kosten für die Schaffung zusätzlicher Verkehrsebenen und Quartiersgaragen sowie deren Lage thematisiert.  Als ggfs. kostengünstigere Alternative zu der hier vorgeschlagenen strikten Trennung der Verkehrsarten wurde auch Shared Space genannt.

Link zur Seite der IBA 2027  www.iba27.de/wissen/iba27/

Download der Vortragsfolien