Am 28.01. referierte Frau Lisa Gadomski Fachbereichsleiterin Arbeit & Bildung beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. zum Thema
„Menschen brauchen Mobilität. Mobilität braucht Menschen. Ein Blick auf die Herausforderungen (und Chancen) der Verkehrsunternehmen.“
Frau Gadomski ist Fachbereichsleiterin Arbeit & Bildung beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V und zuständig für den Ausschuss für Personalwesen des VDV, den Unterausschuss Personalgewinnung und -bindung, sowie Leiterin der VDV-Arbeitgeberinitiative, welche sich seit 2019 in den Themen Personalgewinnung, -bindung und Verbesserung der Gesundheitsquote engagiert und für Mitgliedsunternehmen passende Angebote und Maßnahmen aufbaut und umsetzt.
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist ein zentrales gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem, das sich zunehmend verschärft. Immer mehr Branchen kämpfen mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Der Mangel an Personal ist – neben einer auskömmlichen Finanzierung – schon heute ein erfolgskritischer Faktor, wenn es um die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Mobilitätsangeboten in Deutschland geht. Um den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu begegnen, sind innovative Ansätze in der Ausbildung, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Partnern sowie Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitgeberattraktivität gefragt.
Die Referentin erläuterte zunächst die aktuelle und künftig zu erwartende allgemeine Arbeitsmarktsituation.
Diese ist zunächst geprägt durch den demographischen Wandel und die zunehmende Alterung der Gesellschaft, ein Problem, das EU-weit besteht, so dass sich der Fachkräftemangel in allen EU-Staaten mehr und mehr bemerkbar machen wird. Trotz derzeit niedriger Arbeitslosenzahlen passen Stellenangebote und Arbeitsplatzinteressierte häu8fig nicht zusammen. Wachsenden Branchen, wie der IT stehen Arbeitsplatzverluste in der Industrie gegenüber, ein Wechsel zu einem Arbeitsplatz in einer Boom-Branche ist also nicht ohne weiteres möglich. Aber auch Einzelhandel und Verwaltung tun sich gegenwärtig bei der Gewinnung von Arbeitskräften schwer. Im Bereich der Ausbildung besteht zwar ein ungefährer Gleichstand zwischen freien Ausbildungsplätzen und unversorgten Bewerbern, Angebot und Nachfrage passen jedoch auch hier nicht zusammen, da der Akademisierungsgrad nach wie vor überproportional ist bei zugleich hohen Abbrecherquoten, insb. in MINT-Fächern. Aber auch diese Studienabbrecher bewerben sich nicht zwangsläufig auf freie Stellen im Fahrdienst eines ÖPNV-Unternehmens.
Deutschland hat im EU-Vergleich die dritthöchste Erwerbstätigen¬quote der Frauen. 2017 gingen 18,4 Millionen Frauen i einer Arbeit nach. Das entsprach 75,2 % dieser Alters¬gruppe. Noch höher war die Erwerbstätigen¬quote nur in Schweden (79,8 %) und Litauen (75,5 %).
Die Erwerbs¬tätigenquote der Frauen in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. 2007 lag sie noch bei 66,7 %. Trotz des starken Anstiegs sind Frauen aber weiterhin deutlich seltener erwerbstätig als Männer. In Deutsch¬land lag die Erwerbs¬tätigenquote der Männer von 20 bis 64 Jahren 2017 bei 83,1 %. Dazu kommt eine Teilzeit-Quote bei Frauen von 50% im Vergleich zu 12,7 % bei Männern.
Durch Zuwanderung von jährlich 400.000 Erwerbspersonen könnte das Ausscheiden der „Boomer“ aus dem Erwerbsleben so weit kompensiert werden, dass bis 2035 mit 47,9 Mio. Erwerbstätigen gerechnet werden kann.
Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung setzt an bei den Themen Aus- und Weiterbildung, Heben von Arbeitspotentialen (Mehr Frauen in Vollzeit, Arbeit auch im Rentenalter), Steigerung der Arbeitsqualität und – kultur, sowie eine moderne Einwanderungspolitik.
Der ÖPNV ist durch den Fachkräftemangel sogar überproportional betroffen. Die Spitze des Eisbergs ist gerade erst erkennbar: Bis zum Jahr 2030 scheiden mit 74.000 Personen etwa 50% des derzeitigen Bestandes von 150.000 aus. Um jedoch die verkehrspolitischen Ziele einer Verdoppelung der ÖPNV-Nutzung zu erreichen, sind weitere 110.000 Neueinstellungen erforderlich. Mitursächlich für diese besondere Betroffenheit sind auch die Einsparungen in den 2000` er Jahren, in denen nicht in dem erforderlichen Umfang neu eingestellt worden war. Auch stehen Bewerber(innen) die früher bei der Bundeswehr eine Fahrerlaubnis erworben hatten, nicht mehr zur Verfügung.
Dabei ist nicht nur, wie zumeist angenommen, nur der Fahrdienst betroffen, sondern das gesamte Mitarbeiterspektrum, vom gewerblich - technischen Bereich, IT, Ingenieurleistungen aber auch kaufmännisches und Verwaltungspersonal. Bereits jetzt haben 43 % der VDV- Mitgliedsunternehmen Fahrleistungen aufgrund fehlenden Personals reduzieren müssen. Bei der Anwerbung von Auszubildenden haben die Verkehrsbetriebe häufiger mit mangelnder Qualifikation der Bewerber(innen) aber auch mit einem schlechten Image des ÖPNV unter jungen Menschen zu kämpfen. So gibt es Vorbehalte gegen Schichtdienste, man vermutet schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung, z.T. gilt ÖPNV allen Bestrebungen zur Verkehrswende zum Trotz als „altmodisch“. Hier müssen die Social Media verstärkt bespielt werden. Es gibt bereits private Initiativen von engagierten Busfahrern, die inzwischen eine beachtliche Zahl von Followern erreichen.
Im Bereich der Aus- und Fortbildung ist hier die VDV-Akademie zu erwähnen: Sie bietet neben der branchenüblichen Weiterbildung auch Ausbildungen in neuen attraktiven Berufen an. www.vdv-akademie.de/home/
Der Frauenanteil in den Verkehrsunternehmen beträgt derzeit nur 20%, soll aber u.a. durch passende Frauenförderprogramme, Dienstplanangebote, gezielte Werbeaktionen (Girl`s Day) Ausbildung in Teilzeit … deutlich erhöht werden.
13% der Unternehmen werben inzwischen Fahrpersonal im Ausland an, über das Portal socialbee https://www.socialbee.org/ sollen Migrant(inn)en angesprochen werden.
Letztlich ist es nach Meinung der Referentin im wesentlichen Aufgabe der Unternehmen, selbst für ein positives Image in der Öffentlichkeit allgemein und als Arbeitgeber zu sorgen. Der VDV als Dachverband bietet hier für den unternehmensübergreifenden Austausch einen Marktplatz, Wissenstransfer, ein Karriereportal und allgemeine Branchenkommunikation. Dazu vermittelt er Zugänge zu Portalen wie Ausbildung.de https://www.ausbildung.de/, BetterDoc https://www.betterdoc.org/ oder Study Smart https://app.studysmarter.de/get-started, durch welche die Unternehmen ihren Mitarbeiter(innen) weitergehende Angebote bieten können und so ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen.