Elektrobusse im ÖPNV - Kommt der Durchbruch in Deutschland?

Online-Vortrag von Herrn Dr. Johannes Theissen, Team red Berlin

Am 27.10.2020 referierte Herr Dr.Johannes Theissen von der Firma team red erneut in einem Online  Vortrag zum Thema  „Elektrobusse im ÖPNV - Kommt der Durchbruch in Deutschland?“

Herr Dr. Theißen hat sich nach dem Studium der Politischen Wissenschaften und des Staatsrechtes schwerpunktmäßig im Bereich Verkehrswesen betätigt. U.a. war er Prokurist und Geschäftsbereichsleiter bei traffiQ Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH, zuständig für die Bereiche Marketing und Mobilitätsforschung sowie Mobilitätsmanagement.

Seit 2012 ist er Mitglied bei team red Deutschland und betreut dort – bis Ende 2018 auch als Leiter des Teams Mobilitätsmanagement – Projekte in den Bereichen BMM, Elektromobilität, nachhaltige Mobilität. Einer seiner Schwerpunkte ist das Thema Elektrifizierung des straßengebundenen ÖPNV.

Seit über zehn Jahren gibt es (batteriebetriebene) Elektrobusse im ÖPNV. Ausgehend von China setzten die E-Busse zu einem weltweiten Siegeszug an. Dennoch waren nach Angaben der UITP (ZeEUS-Ebus-Report 2) noch Ende 2017 über 95% aller E-Busse in China im Einsatz. Rund 420.000 E-Busse sollen Ende 2019 weltweit im Einsatz sein, davon rund 1.000 in Europa und außerhalb Chinas weitere rund 5.000.
In Deutschland sind in diesem Jahr erste größere Flotten in den Betrieb gegangen. Dabei spielten oftmals kleinere Unternehmen und Hersteller die Treiber, während viele große Verkehrsunternehmen und Hersteller nur sehr zögerlich in den Markt eingestiegen sind.
Der Referent gab zunächst einen Überblick über die Entwicklung der elektrischen städtischen Nahverkehrssysteme. Mit seinerzeit 400 Straßenbahn- und 75 OBus-Systemen hatte die Elektromobilität  im ÖPNV bis in die 1950`er Jahre einen hohen Ausbaustandard erreicht, die allermeisten Systeme wurden jedoch  im Zuge des autogerechten Umbaus der Städte verdrängt, so dass im Jahr 1980 nur noch 10% der Straßenbahn und 3 OBus-Betriebe existierten.

Batteriebetriebene E-Busse mit Batterieanhängern wurden ab 1974 in Düsseldorf und Mönchengladbach durchaus erfolgreich  eingesetzt, wobei zunächst die Anhänger an den Endstellen ausgetauscht wurden, bevor auch eine  Schnellladung  über  Pantograph installiert  wurde.

Aktuell bilden sich für den E-Bus-Betrieb folgende Entwicklungslinien heraus:

  1. Batteriebetriebene Busse, die entweder an den Endstationen zwischengeladen werden (Opportunity) oder außerhalb der Betriebszeiten auf  dem Betriebshof (Overnight). Es gilt hier kostenseitig abzuwägen, ob eine größere Batterie zu Lasten der Fahrgastkapazität beschafft werden soll, oder die Mehrkosten für zusätzliche Ladeinfrastruktur aufgewendet  werden sollen. Dagegen ist  ein Fahrzeug-Mehreinsatz infolge einer Umlaufzeitverlängerung durch  die Ladezeiten nach Ansicht des Referenten nur  selten erforderlich, da die ohnehin erforderlichen  Pausenzeiten zumeist für die Zwischenladung ausreichen.
  2. Brennstoffzellenbusse sind  betrieblich am ehesten mit  dem herkömmlichen Dieselbusbetrieb  vergleichbar, weil sie in gleicher Weise nur einmal täglich betankt werden müssen, ansonsten aber ohne zusätzliche Infrastruktur  frei  im Netz eingesetzt werden können. Sie benötigen jedoch ein ortsnahes Angebot an günstigem Wasserstoff, entweder aus industrieller Produktion, oder aus Elektrolyse mittels regenerativ erzeugter Elektrizität.
  3. Auch der OBus hat durch die neue IMC (In-Motion-Charging)-Ladetechnik zusätzliche Perspektiven für kostengünstige Netzerweiterungen erhalten, ohne dass die Fahrleitungsanlagen ausgebaut werden müssten. Ein höherer Anteil der Strecken unter Fahrdraht ermöglicht jedoch wiederum den Einsatz kostengünstigerer kleiner Batterien. Das größte rechtliche Problem besteht jedoch in der Planfeststellungspflicht für die Fahrleitungsanlage nach §§ 41, 28 PBefG. Hier wäre ggfs. der Gesetzgeber aufgerufen, für eine Verfahrensvereinfachung zu sorgen, zumal neu zu errichtende IMC-Fahrleitungen weniger  Aufwand erfordern als vollständige  OBus-Strecken. In Berlin sind daher auch wieder 2 neue Linien in der  Planung.

 

Weltweit hat China beim Einsatz von E-Bussen eine Vorreiter-Rolle übernommen, von den weltweit eingesetzten 400.000 Bussen  laufen 99% allein in diesem Land. Der Referent konnte sich selbst von der Verlässlichkeit des Betriebs in Shenzhen (16.000 Busse) überzeugen.

Bei den Anschaffungskosten bieten Batteriebusse offensichtlich künftig die größten Einsparpotentiale, der ursprünglich  doppelt so hohe Kaufpreis im Vergleich zu Dieselbussen hat  sich durch größere Serienfertigung bereits bei einigen  Modellen auf < 400.000.-€ reduziert, für die Batteriekosten wird eine Senkung von derzeit 500.-€/Kwh auf etwa nur  noch 200.-€/Kwh erwartet. Zudem erreichen neuere Batterietypen inzwischen eine Reichweite von 250 – 300 Km, womit ein vollständiger Tagesumlauf ohne Nachladung gefahren werden kann. Im Praxisbetrieb der KVB sind die tatsächlichen Stromverbräuche zu allen Jahreszeiten unter  den zunächst angenommenen Werten geblieben.

Eine weitere kostengünstige Beschaffungsmöglichkeit bietet der Umbau von Diesel-zu Batteriebussen, welcher für 300.000.-€ möglich ist.

Aktuell werden für fast alle Segmente des Busmarktes auch elektrische Varianten entwickelt (Doppelgelenk- Doppelstock- und Reisebusse). Dennoch erscheint eine Umstellung auf E-Busbetrieb ohne zusätzliche Förderung für ÖPNV-Betriebe noch nicht darstellbar, sie ist jedoch zur Umsetzung der „EU Clean Vehicles Directive“, welche ab 2026 eine Reduzierung  der Dieselbusbeschaffung auf nur noch 35% vorsieht, unausweichlich.

Eine weitere (Rohstoff-)Abhängigkeit von China ist dagegen nicht  zu befürchten, die größten Lithium-Vorkommen befinden sich in Australien und Chile.

Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein verbinden den E-Bus-Betrieb mit einer umfangreichen Solarstromerzeugung. Dieser Strom wird tagsüber in einem Batteriepack aus „Second-Life“- Batterien gepuffert und steht abends für die Overnight-Ladung zur Verfügung.

In der anschließenden Diskussion wurde die Wahrnehmbarkeit der leisen E-Busse durch blind und  sehbehinderte Menschen sowohl an den Haltestellen wie auch im Verkehr problematisiert. An Haltestellen kann das Fahrzeug durch akustische Ansage angekündigt werden, was ja auch schon praktiziert wird. Die Wahrnehmbarkeit im allgemeinen Verkehr ist dagegen nicht  Bus-spezifisch sondern betrifft  alle E-Fahrzeuge, so dass hier eine allgemeine  Regelung gefunden werden  muss.

Abschließend betonte  der Referent  noch einmal die besonders angenehmen Fahreigenschaften von  E-Bussen, die eine Bedienung in stadtbahn-ähnlicher Qualität ermöglichen. Hier sollte die Chance genutzt werde, mit  der Umstellung zugleich den gesamten Betriebsablauf so umfassend aufzuwerten (Beschleunigung, Vorrangschaltung, Haltestellenausstattung...), dass auch für die Fahrgäste ein Mehrwert  entsteht, der sich anschließend in steigenden Fahrgastzahlen niederschlägt.

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