Am 23.02 hatten wir die Gelegenheit , auf dem Betriebshof Schweriner Straße der Essener Verkehrs AG (EVAG ) die neubeschaffte Straßenbahn des Typs NF2 „Flexity“ zu besichtigen.
In einem umfassenden Einführungsvortrag stellte Herr Dipl.-Ing. Martin Dreps, Leiter des Bereichs Fahrzeugtechnik Schienenfahrzeuge bei der Via Verkehrsgesellschaft mbH zunächst die unternehmerischen und technischen Rahmenbedingungen, den Ablauf der Beschaffung und die Konstruktionsdetails des neuen Fahrzeugs vor.
Herr Dreps studierte an der Ruhr-Universität Bochum Elektrotechnik mit der Vertiefungsrichtung Nachrichtentechnik. Seine berufliche Laufbahn begann er bei Krupp Stahl. Anschließend war er u.a. in der Solarindustrie tätig. Im Jahre 2002 trat Herr Dreps in die Essener Verkehrs AG ein.
Das Gemeinschaftsunternehmen Via Verkehrsgesellschaft mbH ist ein Zusammenschluss der Essener Verkehrs AG (EVAG), der Mülheimer VerkehrsGesellschaft mbH und der Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG). Die Gesellschaftsanteile betragen: EVAG: 49%, DVG: 34%, MVG: 17%. Am Tag befördert die Via im Schnitt 581.000 Fahrgäste, weitere Informationen zum Unternehmen auch unter http://www.via-verkehr.de/startseite.html
Der Schienenfahrzeugpark besteht aus insgesamt 234 Fahrzeugen, aufgeteilt in Stadtbahn – Wagen, zumeist Typ B, sowie Straßenbahnen in Meter – und Regelspur, sowohl in nieder- als auch in hochfluriger Ausführung. Aufgrund dieser Typenvielfalt ist ein freizügiger Fahrzeugeinsatz im Verkehrsgebiet der VIA nicht möglich.
Auf der Linie 107, die den Stadtbahntunnel in Richtung Messe/Gruga und Bredeney mitbenutzt werden die vorhandenen Hochflur – Wagen des Typs M8 zur Zeit für eine weitere Betriebszeit bis mindestens 2020 ertüchtigt, ein Einsatz der neuen Fahrzeuge ist dort nicht vorgesehen.
Die EVAG und die MVG haben in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 42 neue Straßenbahnen, - Essen 27 und Mülheim 15 - bestellt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2022 auch im Straßenbahnbereich vollständige Barrierefreiheit herzustellen. Betreiber wird künftig das Gemeinschaftsunternehmen Via.
Bedingt durch die anhaltende Diskussion über den Fortbestand der Straßenbahn in Mülheim wurde die Bestellung von 10 Fz. in eine Option umgewandelt. .
Die 42 neuen Straßenbahnen vom Typ „Flexity“ für basieren auf den bisherigen M8D-Niederflurwagen der ersten Generation. Sie werden am Bombardier-Standort in Bautzen gefertigt. Die elektrische Ausrüstung kommt aus dem Werk Mannheim, die Drehgestelle aus Siegen. In den konstruktiven Vorgaben des Lastenhefts wurde besonderer Wert auf Dauerhaftigkeit Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus der Bahnen gelegt. 70 % der Niederflurtechnik sowie die Drehgestelle sind bewährte Komponenten.
Insbesondere wurde auch eine vollverschweißte Edelstahl - Ausführung des Wagenkastens bis zum Dach gefordert, Verklebungen sind nach Auffassung des Referenten zu wenig dauerhaft.
Durch die Vorgabe „schraubengleich“ sollen sich niedrige Standzeiten bei Reparaturen und Instandsetzungen sowie eine hohe Standardisierung in der Ersatzteilversorgung ergeben. Die neuen Fahrzeuge sind mit knapp 30 Metern zudem knapp zwei Meter länger und mit 42 Tonnen zur Verbesserung der Antriebsadhäsion auch ca. sechs Tonnen schwerer als die vorhandenen 34 Bahnen vom Typ M8D-NF 1, Aus diesem Grund finden auch stärkere bzw. zusätzliche Bremsen und stärkere Achsen Verwendung. Die Brandlöschanlage konnte dank der Verwendung noch wirkungsvoller brandhemmender Materialien geringer dimensioniert werden. Im übrigen wurde das Lastenheft von dem Typ M8D-NF 1d abgeleitet. Eine Vergabebeschwerde erfolgte nicht.
Die Technische Aufsichtsbehörde (TAB) bei der Bezirksregierung Düsseldorf hat nach Abnahme des ersten Fahrzeuges die Typenzulassung erteilt, so dass die weiteren Fahrzeuge nach der BOStrab nur noch ein vereinfachtes Zulassungsverfahren zu absolvieren haben. Zwischenzeitlich musste jedoch der ursprünglich eingebaute Alu – Fußbodenbelag der ersten 10 Fahrzeuge durch einen solchen aus Edelstahl. ersetzt werden. Die restliche Serie erhält ebenfalls den neuen Fußboden. Die Zeitabstände der Lieferungen betragen 14 Tage, sollen aber auf 7 Tage verkürzt werden. Da die Mitarbeiter der EVAG in den Produktionsprozess intensiv eingebunden sind, können auch die Inbetriebnahmen zügig erfolgen.
Der erste Fahrgasteinsatz erfolgte mit der Fertigstellung der neuen Linienführung der Li.109 über den Berthold-Beitz-Boulevard und die Frohnhauser Straße am 20. Oktober 2014.
Die zu ersetzenden Alt – Fahrzeuge bleiben für eine Übergangszeit von 1 – 2 Jahren im Bestand und werden sodann sukzessive ausgemustert und als Ersatzteilspender verwendet. Die EVAG hat die Betriebshöfe um 3 zusätzliche Gleise erweitert um den zusätzlichen Stellplatzbedarf zu decken. Das derzeit noch übliche dauernde Abstellen von Fahrzeugen im Tunnel sorgt dagegen für eine beschleunigte Verrottung und soll aufgegeben werden.
Bei der anschließenden Werkstattbesichtigung erwähnte der Referent die Erwartung, dass die Stadtbahnwagen des Typs B ohne weiteres eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren erreichen könnten, so dass ein Zeitraum zum Austausch erst für die Jahre 2025 – 2030 angedacht werden müsste.