Dirk Kühnert, VRR AöR: Sicherheit im ÖPNV

Vortrag vom 28.02.2012

Sicherheit im ÖPNV, Vortrag von Herrn Dirk Kühnert, Abteilungsleiter „Information / Innovation“, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR

Am 28.02.2012 referierte Herr Dirk Kühnert Dirk, Abteilungsleiter „Information/ Innovation“, und Prokurist bei der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR zum Thema „Sicherheit im ÖPNV“

Zur Person:

Nach Abschluss des Studiums zum Diplomverwaltungsbetriebswirt im Jahr 1976 begann Herr Kühnert seine Tätigkeiten zunächst bei der Deutschen Bundesbahn. Von 1978 bis 1980 übernahm er die Verkehrsplanung im Vorbereitungsbüro des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Seit 1980 arbeitete er beim VRR zunächst als Mitarbeiter im Bereich Leistungsangebot,

später als Fachexperte für Qualität und Service, wurde Stabsstellenleiter des Kundenmanagements bis er 2002 die  Abteilungsleitung „Qualität und Service“ /Information und Innovation übernahm. Seit Januar 2007 ist Herr Kühnert auch Prokurist der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR. 

Die Abt I ist innerhalb der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR zuständig für Information und Innovation wobei der Bereich Information u. a. für die Programmentwicklung, z.B. Fahrplan – Apps zuständig ist.

Die Themen „Sicherheit“, „Kundenmanagement“, „Beschwerdemanagement“ und „Multimodalität“ werden unter dem Oberbegriff „Innovation“ geführt.

Das beim VRR angesiedelte KompetenzCenter Sicherheit ist zuständig für ganz NRW. Es ist Dienstleister für das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes NRW und für die Partner im Land und übernimmt die Moderation und Koordination zwischen Verkehrsunternehmen und Behörden im Land. Die operativen Aufgaben verbleiben bei den Verkehrsunternehmen und Behörden. Das KC Sicherheit ist eine landesweite „Wissensbörse“ zu verschiedenen Projekten im ÖPNV und bietet Hilfestellung bei vom landesweiten Arbeitskreis LAK initiierten Projekten. http://www.kcsicherheit.de/

Die Aufgaben sind über drei Ebenen verteilt: 1. landesweit, 2. auf regionaler Ebene (VRR – Verbundgebiet) und 3. im Gebiet der einzelnen Kommune (kommunale Ordnungspartnerschaften).

Darüber hinaus ist der VRR auf Bundesebene Mitglied des „runden Tisches gegen Gewalt im öffentlichen Raum“.

Die Aufgaben des LAK liegen im wesentlichen im Erfahrungsaustausch und in der Erarbeitung einheitlicher Lösungen (Beispiel: unterschiedliche Speicherdauer von Vidoaufzeichnungen oder anderen Daten).

Auf der Ebene des VRR selbst besteht eine „Zentralstelle für regionales Sicherheitsmanagement und Prävention“ ZeRP

Seit dem Start am 19. Oktober 1998 haben sich inzwischen 29 lokale Ordnungspartner, Verkehrsunternehmen, Sicherheitsbehörden und Kommunen hier zusammengeschlossen, um in speziellen Arbeitsgemeinschaften die sicherheitsrelevanten Themen zu besprechen und Maßnahmen vor allem für die lokale Arbeit der Ordnungspartner zu verabreden. Es bestehen Facharbeitskreise u.a. zu den Themenfeldern „Jugend“, „Senioren“, „Infrastruktur“, und „Technik“. Die Aufgaben stellen sich wie folgt dar:

  •  Regelmäßiger Austausch von Informationen,
  •    Erstellung von Lagebildern
  •    Betrieb der ZeRP Datenbank
  •    Betrieb der Graffiti-Datenbank

Insgesamt räumt der VRR dem Thema Sicherheit im ÖPNV höchste Priorität ein: Herr Kühnert verwies insoweit auf die „Maslowsche Bedürfnispyramide“ wonach unter den menschlichen Bedürfnissen die Sicherheit schon an 2. Stelle steht. Sie kann daher uneingeschränkt als Standort- und Wirtschaftsfaktor eines (Verbund) -raumes bewertet werden.

Der VRR ist bislang der einzige SPNV – Aufgabenträger, welcher in seinen Bestellerverträgen z.B. Zahl der Streifen in der S -Bahn und deren Einsatzstunden festschreibt, und die Einhaltung der erforderlichen Quantität und Qualität auch selbst prüft. So genügt es z.B. nicht, dass die Sicherheitskräfte lediglich im Zug mitfahren, sie sollen vielmehr auch Präsenz zeigen, so dass die Fahrgäste und mögliche Störer die Anwesenheit von Sicherheitspersonal deutlich wahrnehmen können. Nach einem zwischenzeitlichen Rechtsstreit mit einem SPNV – Unternehmen ist der VRR nunmehr mit den gebotenen Leistungen zufrieden.

 In einem weiteren Themenschwerpunkt erörterte Herr Kühnert die aktuelle Grundsatzfrage: “Wie sicher ist der ÖPNV ?“

Die Diskussion zu diesem Thema ist bestimmt von den aktuellen Ereignissen aus der jüngsten Vergangenheit. Demnach ist die Situation geprägt von überraschender und äußerst brutaler Gewalt, auch gegen Funktionsträger (Feuerwehrleute, Polizisten Rettungskräfte, Busfahrer) Hier konstatiert der Referent in der Tat eine Veränderung in der Gesellschaft, wobei der Standard dessen, was noch als „normales Verhalten“ akzeptiert wird ständig weiter nach oben geht.

Hier ist der ÖPNV auch nur Teil des öffentlichen Raumes, in dem dieses geschieht. Als Folge des Daseinsvorsorge – Auftrages müssen auch sog. „No – Go – Aereas“ vom ÖPNV bedient werden.

Der VRR – Verbundraum verfügt als polyzentrischer Ballungsraum über eine Vielzahl von möglichen Konflikträumen, zudem stellt die unterschiedliche, häufig prekäre Haushaltslage der Kommunen im VRR eine ständige Gefahr für den Bestand von ÖPNV – Standards dar. Nach Auffassung von Herrn Kühnert darf jedoch das Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht an der Haushaltslage ausgerichtet sein.

Im VRR wären statistisch bei 1,3 Mrd Fahrten lediglich 0,002 % aller Fahrgäste betroffen, dieser geringe Wert darf jedoch nicht dazu verleiten die Bedeutung sowohl für die Opfer als auch für die Verkehrsunternehmen, zu unterschätzen, zumal immer häufiger das Personal Ziel von Angriffen wird. Die Öffentlichkeitsarbeit der Verkehrsunternehmen tut sich zudem recht schwer, das Thema Sicherheit angemessen zu kommunizieren: Auf der einen Seite soll das Thema nicht totgeschwiegen oder beschönigt werden, auf der anderen Seite befürchten die Marketingabteilungen auch eine negative Imagewerbung.

Das allgemeine Unsicherheitsgefühl führte in einer Umfrage zu dem Ergebnis, dass 45 % der befragten den ÖPNV deshalb in den Abendstunden nicht mehr nutzen würden. Auf der S – Bahn – Linie 4 werden erst nach der Besetzung aller Züge mit Streifen überhaupt wieder nennenswerte Fahrgastzahlen im Abendverkehr erzielt. Die Einführung eines zusätzlichen Straftatbestandes,   „Tätlicher Angriff auf öffentliche Bedienstete und Nothelfer“ in einem neuen § 115 StGB könnte hier evtl. Abhilfe schaffen und auch den Personenkreis schützen, der bislang vom Schutzbereich des  § 113 StGB nicht erfasst ist.

 

In seinem letzten Vortragsteil stellte Herr Kühnert schließlich die konkreten Präventionsmaßnahmen vor, die aktuell Im VRR erarbeitet wurden, insb. das Projekt "muTiger":

Es zielt darauf ab, die Fahrgäste in Notfällen zur Hilfeleistung zu ermuntern, möglichst jedoch ohne  dabei selbst zu Opfern der Angreifer zu werden. Das Verhalten der Umgebung in kritsichen Situationen ist bislang eher geprägt von Wegesehen statt handeln, es herrscht „Verantwortungsdiffusion“,d.h. jeder verlässt sich auf den anderen. Zudem wird in der öffentlichen Diskussion zwar regelmäßig Zivilcourage wird gefordert, jedoch ohne konkrete Empfehlungen was richtig oder falsch sein könnte.

Das Projekt „muTiger“ umfasst 3 Handlungsebenen:

  •   Schulung und Vorsorge, Multiplikatorentraining
  • Absicherung und Nachsorge: Versicherungsschutz,  Rechtsschutz und eine ständig erreichbare Telefonnummer für den Fall einer Beratung
  •  Als Rechtsform wurde die Stiftung ausgewählt. Sie ermöglicht schlanke Strukturen und kurze Entscheidungswege. 

Ziel ist es, die hier erlernten Formen  der Zivilcourage im Ernstfall auch anzuwenden. 

Mittlerweile bewährt hat sich das Verfahren „Prävites - Präventiver Einsatz von Videotechnik für mehr Sicherheit im ÖPNV“, insb. Im Busverkehr

Bei einem Vorfall soll der Fahrer in einer Ansage auf die Störung hinweisen und ankündigen, dass nunmehr die Videoüberwachung eingeschaltet wird. Zugleich soll er die Fahrt unuterbrechen und alle Türen öffnen. Auf diese Weise kann der „Druck entweichen“, zugleich  werden sich die Fahrgäste  eher mit den Opfern solidarisieren.

Letztlich schloss der Vortrag mit der Erkenntnis, dass es trotz intensiver Vorfallsauswertung und zahlreicher präventiver Maßnahmen doch keine absolut gültigen Verhaltenempfehlungen, die in jeder Situation erfolgreich angewendet werden könnten geben kann. Eine ausreichende Präsenz von Sicherheitspersonal  kann durch noch so engagierte Appelle an die Zivilcourage der Fahrgäste nicht ersetzt werden. Es ist der Nachweis zu erbringen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen einer  hohen Sicherheits – Personalausstattung die aufzuwendenden Mehrkosten überwiegt.

Die zum Vortrag gezeigten Präsentationsfolien finden Sie im Downloadbereich