Das DB Zuglabor: Neue Impulse durch Integration von Kundenbedürfnissen,

Vortrag von Frau Dipl.Kauffr. Christine Schaper, DB Mobility Logistics AG, Frankfurt/M und Herrn Dipl.- Psych. Roland Walther, DB Regio AG, Frankfurt/M

Die Bahn Macht mobil: Innovation im Dialog, Das DB Zuglabor: Neue Impulse durch Integration von Kundenbedürfnissen,

 

Am 30.09 stellten Frau Dipl.Kauffr. Christine Schaper, DB Mobility Logistics AG, und Herr Dipl.- Psych. Roland Walther, DB Regio AG das Projekt DB Zuglabor vor.

 

Frau Schaper ist Teamleiterin Marktforschung „Kundenzufriedenheit & Mobilität sowie stv. Abteilungsleiterin der Konzernmarktforschung bei der DB Mobility Logistics AG, Frankfurt/M.

 

Herr Walther ist Projektleiter in den Bereichen Marketing und Produktmanagement bei der DB Regio AG, Frankfurt/M.

 

Die Gestaltung von Fahrzeugen für den Schienenpersonenverkehr war in der Vergangenheit im Wesentlichen durch technische Anforderungen bestimmt. Um im zunehmenden Wettbewerb der Transportmittel auf der Schiene und auf der Straße zu bestehen, spielen Komfort und Design der Regionalzüge eine zentrale und immer weiter wachsende Rolle. Mit dem DB Regio Zuglabor entwickelte daher die Deutsche Bahn standardmäßig eine neue Methode, um ihr Angebot im Nahverkehr noch stärker auf die Bedürfnisse ihrer Kunden auszurichten, die Kundenzufriedenheit der Fahrgäste zu steigern und deren Wünsche bei Erscheinungsbild und Ausstattung der Regionalzüge zu berücksichtigen.

 

Seit 2010 wird mit dem DB Zuglabor ein detailliertes Verständnis der Bedürfnisse von Reisenden und deren Akzeptanz der Ausstattung gewonnen: Dazu begutachten die Teilnehmer selbständig Zugprototypen oder bereits betriebene Züge und äußern sich frei zu deren Design, Ausstattung und Komfort. Die Methode bleibt offen: Die Marktforscher beobachten und hören Erfahrungsberichte, sie diskutieren im Zug mit den Probanden über die Fahrzeuge und deren Interieur und erfahren detailliert individuelle Ideen und Verbesserungsvorschläge. Die Tests sind so angelegt, dass Fahrgäste wie Pendler, Geschäftsreisende, Reisende mit Fahrrädern oder Gepäck sowie Wenigfahrer in Kleingruppen von 4 -5 Personen nacheinander in ca. 3 Stunden das Fahrzeug besichtigen. Dabei werden sie jeweils von einem Moderator begleitet. Das Fahrzeug wird zuvor mit Kameras und Mikrofonen ausgestattet, um die Reaktionen der Testpersonen zu erfassen.

Marktforschungsstrategisch folgen Zuglabore der Methode der Triangulation: Viele unterschiedliche Perspektiven beziehen sich auf einen Gegenstand – hier der Regio-Zug. Darüber hinaus werden verschiedene qualitative Marktfoschungsmethoden z.B. „Lautes Denken“ durch quantitative Vorgehensweisen (z.B. standardisierter Fragebogen) ergänzt. Insgesamt werden durch diese Triangulation die Ergebnisse valider und facettenreicher. Die Chance, gute Ideen zur Optimierung der Züge zu erhalten, wächst. Für die Weiterentwicklung von Zugprodukten ein großer Vorteil.

Die erste Marktforschung dieser Art fand im Verkehrsmuseum Nürnberg zur Bewertung von 13 Fahrzeugsitztypen, z.T. Neuentwicklungen statt. Die Regiofahrgäste wurden zunächst zu ihren generellen Anforderungen an Fahrgastsitze befragt, anschließend wurden die einzelnen Sitze ausführlich getestet. Die Befragungsergebnisse erbrachten repräsentative und verwertbare Aussagen für die künftige Gestaltung: So sollte eine Mindestbreite von 450 mm anstelle von 425 – 430 mm, mit denen sich die Aufgabenträger oft begnügen, vorgegeben werden. Armstützen sollten zur Gangseite hin klappbar sein. Zusätzlich werden auch in der 2. Klasse klappbare Mittelarmlehnen gewünscht. Bei den Kopfstützen werden die Modelle mit „Ohren“ bevorzugt, sie sollten zudem aus glattem und hochwertigem Material (z.B. Leder) gefertigt sein, Stoffbezüge werden im Kopfbereich eher als unsauber empfunden. Eine hebellose Sitzverstellung mittels Gewichtsverlagerung war dagegen nicht erwünscht, da die Testpersonen gewohnheitsmäßig mit Sitzen, die mit Verstellhebeln ausgestattet sind, besser zurecht kommen. Neue Funktionen wie z.B. ein Laptop – Haltebügel an den Tischen sollten durch Piktogramme erklärt werden, da diese Funktion nicht selbsterklärend ist.

 Zur Beurteilung einer neuen Ausstattung für Doppelstockwagen wurden 12 Gruppen von 5 – 6 Teilnehmern auf einem Rundweg durch das gesamte Fahrzeug geführt und zu allen Einrichtungsdetails in 3-stündigen Interviews befragt, wobei wiederum die Reaktionen aufgezeichnet wurden.

Beispielhaft sind im Folgenden einige Ergebnisse der Untersuchung des Doppelstockwagens aufgeführt:
- Im Einstiegsbereich sind die Haltestangen an den Türen innen für einsteigende mobilitätseingeschränkte Fahrgäste schlecht sichtbar und können daher nicht ausreichend genutzt werden.

- Die indirekte flächige Beleuchtung der Gepäckablagen mit LED in blauer Farbe fand hingegen große Zustimmung. Tageszeitlich wechselnde Lichtfarben sind hingegen nicht notwendig, lediglich ein Abdimmen der Lichtstärke abends und nachts wurde für ein angenehmeres Raumgefühl von den Fahrgästen angeregt.

- Die bislang im Eingangsbereich eines Abteils angeordneten Gepäckablagen sollten in die Fahrzeugmitte verlegt werden, da die Kunden während der Fahrt ihr Gepäck aus Angst vor Diebstählen im Blick haben wollen.
- Bei der Materialauswahl der Sitze werden in der 1. Klasse „wertigere“ Materiale wie Holz, Echtleder oder E – Leather gegenüber Kunststoff bevorzugt. Ebenso fanden dort berührungslose Lichtschalter am Sitzplatz Anerkennung wie Teppichböden in dunkler Farbe.

- Eine „Schlingerkante“, d.h. eine leicht erhöhter Abschluss rings um die Tische zur Verhinderung, dass Getränkebehälter o.ä. beim Bremsen herunterfallen, wird von allen Reisenden unabhängig der genutzten Wagenklasse gewünscht.

- Im Bereich Sauberkeit gilt als Schmutz, was „mich schmutzig macht“. Abfälle auf dem Boden oder vom Fahrgast zuvor liegengebliebende Zeitungen stören daher weniger als verunreinigte Fenster oder Sitze.

- Der stark zunehmende Fahrradverkehr erfordert auch in den Zügen gegenüber dem heute erreichten Standard zusätzliche Abstellmöglichkeiten. So wurden im Mehrzweckabteil des Testfahrzeuges die Klappsitze auf der linken Seite komplett durch ein Halterungssystem für Fahrräder ersetzt. Dieses ist jedoch aus Sicht der fahrradführenden Fahrgäste unpraktisch, da Rechtshänder - also der überwiegende Teil der Bevölkerung –ihr Fahrrad auf der rechten Seite schieben und es zum Sichern nach Betreten des Mehrzweckabteils zunächst einmal wenden müssen.

- Das barrierefreie WC sollte aufgrund seiner Größe an „prominenter“ Stelle im Zug platziert werden. Der Spiegelschrank über dem Waschbecken ist laut Meinung der Fahrgäste zu tief angebracht, weswegen der Wasseraustritt schlecht sichtbar ist und die Sensoren zum Auslösen oft nicht erreicht werden. Auch wird die dunkelgraue Standard – Innenraumfarbe als ein wenig „düster“ empfunden.

 Im Gesamtergebnis hat das Projekt DB Regio Zuglabor zahlreiche Kundenwünsche ans Licht gebracht. Soweit die Umsetzung der Ergebnisse technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, wird das Design und die Ausstattung für die Serienfertigung angepasst: Sitzanordnungen werden ebenso verändert wie beispielsweise Beleuchtung, Polsterhärten und Sitzergonomie, das Design von Armlehnen oder auch die Ausstattung in der 1. Klasse.

Ist die Umsetzung der Kundenwünsche für bereits genutzte Züge kostenneutral und ohne größeren technischen Aufwand möglich, hat die Deutsche Bahn bereits entsprechende Beschaffungen veranlasst. In Einzelfällen sind Ergebnisse der Zuglabore bereits heute erlebbar: Für Fahrzeugneubeschaffungen oder Redesigns werden beispielsweise die Wünsche der Fahrgäste nach klappbaren Gang- und Mittelarmlehnen, nach Kopfstützen mit „Ohren“ und Verstellhebeln bei Sitzen der 1. Klasse berücksichtigt.

 

Durch die verstärkte Integration von Kundenbedürfnissen liefern die Ergebnisse nicht nur der Deutschen Bahn, sondern auch den Fahrzeug- und Komponentenherstellern wichtige Impulse für ihre bestehende und zukünftige Produktplanung. Im Regionalverkehr sogar den Aufgabenträgern, die im Rahmen von Ausschreibungen exakte Vorgaben für die Ausstattung der Nahverkehrszüge in ihren Verkehrsverträgen festlegen.-

 

Das Zuglabor ist für die DB Regio AG als Forschungsmethode für neue Fragestellungen rund um Innenausstattung und Service fest etabliert; für den Bereich SPFV oder DB Regio Bus laufen separate Marktforschungsprojekte mit analogem Ansatz.


Nachtrag 31.08.2015

Deutsche Bahn: Neues Zuglabor zur Entwicklung digitaler Angebote
Das "DB Regio Zuglabor" geht in eine neue Runde. Im bayerischen Miltenberg wurde jetzt ein Zuglabor-Multifunktionshaus mit fester Adresse fertig gestellt. Damit hat DB Regio die Möglichkeit, in breit angelegten Probandentests beispielsweise Ausstattungsmerkmale der Züge zu optimieren oder die Erwartungen der Reisenden an die Betreuung im Zug realitätsnah zu untersuchen.
Neben Prototypen und Neuentwicklungen der Industrie werden darüber hinaus verstärkt Ideen aus Kreativworkshops, besonders im Kontext von Digitalisierung und Mobilität 4.0 getestet. Dazu werden Kunden eingeladen, unter Moderation von Marktforschern bestehende Angebote und Neuentwicklungen zu bewerten und ihre Wünsche, Erwartungen und Anregungen einzubringen. So steht in Miltenberg neben dem Bereich für Tests durch die Fahrgäste auch eine Lounge bereit, die zum kreativen Gedankenaustausch einlädt. Bereits seit Ende 2011 nutzt DB Regio die Zuglabor-Marktforschung regelmäßig als innovatives Instrument der Produktentwicklung.
Die Praxiserprobung der Ideen und Entwicklungen im Bahnalltag erfolgt dann im "Ideenzug" – einem regulären Nahverkehrszug, der von der Westfrankenbahn und der Südostbayernbahn angefordert werden kann. "Workshops, Zuglabor und Ideenzug bilden einen optimalen Dreiklang, um Innovationen für die Fahrgäste zu initiieren und zügig auf den Weg zu bringen", sagt Sandra Khan, Projektleiterin Zuglabor bei DB Regio. Durch moderne Technik und den direkten Gleisanschluss an den Bahnhof Miltenberg können somit spezifische Raum- und Anwendungskonzepte nah und live im Zug untersucht werden.
Die erste Marktforschung im Zuglabor zum Informations- und Unterhaltungsangebot via WLAN im Zug fand bereits Ende August statt und verlief sehr positiv. Hier kamen Nahverkehrskunden aus dem Raum Untermain zu Wort, die ein unterhaltendes und informatives Internetangebot für unterwegs testeten, das derzeit von DB Regio entwickelt wird. Geplant ist das Angebot für Reisende in Zügen des Regionalverkehrs, in denen WLAN in Zukunft verfügbar sein soll. Ziel ist es, das Entertainment-Angebot passgenau auf die Bedürfnisse der Reisenden zuzuschneiden. "Viele Fahrgäste, insbesondere Pendler, sind regelmäßig auf ein und derselben Strecke unterwegs", erläutert Olav Hartmann, Produktmanager WLAN im Regionalverkehr der DB Regio. "Zugleich ist die Reisezeit, in der das Angebot genutzt werden kann, vergleichsweise kurz." Nach der Konzeption der Inhalte ist eine Pilotphase vorgesehen. Dabei soll das Angebot ab Herbst auf ausgewählten Strecken getestet werden. Die Ergebnisse sind sowohl für den Kunden als auch für die Aufgabenträger, die die Verkehrsleistung in den Ländern bestellen, von großer Bedeutung. Je besser die Wünsche und Erwartungen des Kunden an ihre Mobilität im Nahverkehr bekannt sind, desto besser können die Aufgabenträger diese Kriterien bei der Ausschreibung von Verkehrsleistungen berücksichtigen (Pressemeldung Deutsche Bahn, 31.08.15).