Angebotsqualität im SPFV zwischen europäischen Metropolregionen

Vortrag von Prof. Dr. Matthias Gather, FH Erfurt vom 25.02.2013 unter Mitarbeit von Herrn Attila Lüttmerding

Herr Prof. Dr. Matthias Gather studierte von 1980 -1986 Geographie (Diplom), Volkswirtschaft und Soziologie an der Universität Frankfurt am Main sowie von 1984 - 1985 an der University of Manchester. 1991 promovierte er am Institut für Kulturgeographie, Stadt und Regionalforschung der Universität Frankfurt am Main.

Seit 1996 bekleidet er die Professur für Verkehrspolitik und Raumplanung an der Fakultät Wirtschaft-Logistik-Verkehr der Fachhochschule Erfurt. Im Jahr 2003 gründete er darüber hinaus das Forschungsinstitut Verkehr und Raum, in dem er als Institutsleiter zahlreiche Forschungsprojekte auch im europäischen Maßstab betreut.

Sein Lehrgebiet “Verkehrspolitik und Raumplanung“ befasst sich mit den vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen der politischen Steuerung von Verkehrsentwicklung und räumlichen Prozessen. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bilden dabei die regionalen Effekte von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen sowie vielfältigen Herausforderungen des demographischen Wandels an die Verkehrs– und Raumordnungspolitik.

Mit den 2008 erschienenen Richtlinien zur integrierten Netzgestaltung (RIN) der FGSV wurde ein neues, bundesweites Regelwerk geschaffen, das ausgehend vom System der zentralen Orte erstmals verkehrsträgerübergreifende Empfehlungen zur Gestaltung von Verkehrsnetzen liefert. Herr Prof. Gather hat die RIN als Mitglied des FGSV - Arbeitskreises maßgeblich mitgestaltet. Die darin im wesentlichen immer noch für den Straßenverkehr getroffenen Aussagen sollten nunmehr auch auf das Europäische SPFV – Netz angewendet werden.

Der Referent erläuterte zunächst Inhalt und notwendige Arbeitsschritte nach der RIN:          

Im ersten Schritt sind bei der funktionalen Gliederung der Verkehrsnetze die raumordnerische Bedeutung der zu verbindenden Orte und die Bedeutung der Verbindung zwischen ihnen sowie die daraus abzuleitenden Ansprüche zu bestimmen. Kritisch merkte Prof. Gather die Tendenz, z.B. in Bayern an, auch kleinere Zentren als Oberzentren zu definieren, um dadurch mehr Verkehrswege - Finanzierungsaufgaben dem Bund anzulasten.

Die anschließende Bewertung der Angebotsqualität erfolgt zu einen luftlinien- und zum anderen verkehrssystembezogen. Diese Bewertung führt schließlich zu einer Definition von Qualitätsvorgaben für die Gestaltung von Verkehrsnetzen, Abschnitten und Verknüpfungspunkten. Die RIN definiert 5 Verkehrswegekategorien, wobei für den SPFV die oberste Kategorie Fernverkehrsbahn FB, aber auch schneller Regionalverkehr NB zutrifft. Diesen Kategorien werden Standard – Entfernungsbereiche (= mittlere Reiseweiten)  von 200 – 500 km bzw. 60 – 300 km und angestrebte Fahrgeschwindigkeiten zugeordnet, wobei auch in der obersten Kategorie kein HGV gefordert ist, sondern eine Vmax von 160 km/h ausreicht.

Bei der Auswahl der zu betrachtenden Metropolen wird der in Deutschland gängige Begriff der zentralen Orte im europäischen Kontext nicht übernommen. Für die vorgestellte Untersuchung wurden „larger urban zones“ (LUZ) herangezogen. Hierunter fallen zunächst nur Räume mit mehr als 1 Mio. Ew, aber auch kleinere Räume von 0,5 – 1 Mio. Ew., sofern sie eine besondere Metropolfunktion erfüllen (z.B. Straßburg), Hauptstadt (zumeist Osteuropa) sind oder mehr als 150 km von der nächsten Metropolregion (z.B. Leipzig) entfernt sind.

Die letztlich ausgewählten 116 Regionen verteilen sich zum einen konzentriert im Bereich der „blauen Banane“ sowie gleichmäßig im übrigen Europa.

Die Auswahl der relevanten Relationen erfolgte durch Luftlininien – Triangulation nach den Prinzipien „geringste Flächenvarianz“ und „nächster Nachbar“. Bereinigt wurde die Auswahl z.B. durch Hinzufügen tatsächlich vorhandener Verbindungen, fehlender Hauptstadtverbindungen, aber auch Streichung irrelevanter Verbindungen. Insgesamt ergaben sich somit 306 metropolitane Verbindungen. Als relevante Abfahrtsstationen wurden in monozentrischen Regionen die zentralen Fernbahnbahnhöfe gewählt, in polyzentrischen Regionen die Fernbahnhöfe der Kernstadt sowie aller Städte, die mindestens 50% der Einwohner der Kernstadt aufweisen. Für z.B. den Raum Rhein – Ruhr bedeutete dies: Betrachtet wurden die Fahrzeiten der Kernstadt Köln (Hbf., 1 Mio. Ew.) sowie von Düsseldorf, Essen und Dortmund.

Die Relationen wurden zum Stichtag Di., 20.03.2012, 24 Stunden, mit Hilfe des Auskunftprogramms „bahn.de“ erfasst und nach den Kriterien Reisezeit, Frequenz und Zahl der Umsteigevorgänge, nicht dagegen nach Fahrpreis oder Komfort bewertet. Verbindungen mit einer Umsteigewartezeit von > 30 % der Nettoreisezeit entfielen.

Ergebnisse:

Die Gesamtbewertung nach der Berechnungsformel „Luftliniengeschwindigkeit / Durchschnittsbruttoreisezeit x Fahrtenhäufigkeit“ ergab, dass Verbindungen in der Schweiz, Deutschland und Großbritannien mit hohen Zugzahlen gegenüber französischen oder spanischen HGV – Verbindungen letztlich im Vorteil waren. Die Qualität internationaler Verbindungen lag durchweg unter der entsprechender nationaler Relationen, wobei hier allerdings die von Frankreich ausgehenden grenzüberschreitenden TGV – Verbindungen wieder vorne lagen. Die Zahl der umsteigefreien Verbindungen ist  im nationalen Verkehr mit 90% doppelt so groß wie im internationalen Verkehr mit 45%. Auch in Osteuropa werden ansprechende Qualitäten sowohl bei der Bedienungshäufigkeit als auch bei der Reisegeschwindigkeit erreicht. Dies trifft allerdings nicht auf die baltischen Staaten zu, die im Fernverkehr mehr auf den Bus setzen. Infolge der Krise in Griechenland wird dort nur noch eine einzige Strecke (Athen – Thessaloniki) überhaupt noch im SPV bedient, so dass internationale Verbindungen dorthin komplett entfallen. Das Gesamtergebnis änderte sich auch bei unterschiedlichen Gewichtungen der beiden Faktoren nicht wesentlich.

Als Fazit stellte der Referent abschließend fest, dass der SPFV im Verkehr benachbarter Metropolregionen durchaus konkurrenzfähig ist, sofern eine Netzstruktur zugrunde gelegt und dabei auch der jeweils „übernächste Nachbar“ mit betrachtet wird. Dies widerspricht zum Teil den Planungsprioritäten auf EU – Ebene, die nach wie die großen transnationalen Korridore favorisiert. Die auch gegenwärtig immer noch vorherrschende Entwicklung des Angebotes besteht in Streichungen von vielfältigen Einzelverbindungen zugunsten eines vermehrten Angebotes im HGV auf wenigen Hauptachsen.Die zum Vortrag gezeigten Präsentationsfolien finden Sie im Download - Bereich

Weiterführende Informationen unter www.verkehr-und-raum.de

Die komplette Studie ist abgelegt unter http://www.fh-erfurt.de/fhe/fileadmin/Material/Institut/Verkehr_Raum/Download/IVR_Berichte/IVR_Bericht_LevelOfServices_v8.pdf