Unsere jährliche Exkursion mit anschließendem Sommerfest führte uns diesmal zum neuen Siemens Rail Service Center Dortmund Eving, welches im wesentlichen für die im Aufbau befindliche Fahrzeugflotte der RRX ("Regionalexpress-Rhein-Ruhr") –Züge, Modell „Desiro HC“ errichtet wurde. Der Betrieb liegt auf dem Gelände eines früheren Rangierbahnhofs am Westrand der der damaligen „Westfalenhütte“, etwa 2 Km nördlich des Dortmunder Hauptbahnhofes an der Strecke Dortmund-Lünen-Münster. Das Gelände ist umfasst 70.000 m2 Fläche und verfügt über eine 6-gleisige Wartungshalle (163 x 63 m), Abstellanlage, Ver- und Entsorgungsstation, Außenreinigung, Radsatzdiagnosestation, Unterflur-Drehbank sowie 3-D-Drucker zur Herstellung von Werkzeugen und Ersatzteilen. In Planung ist zudem noch eine Stromabnehmer- Vermessungsanlage.
Zu Beginn führte der örtliche Werkleiter, Herr Sascha Guth in die Thematik (Rolle des Betreibers, Planung & Realisierung, laufender Betrieb) ein.
Die Betriebsabläufe in dem Werk sind geprägt durch eine vollständige Digitalisierung. Die Züge überwachen sich zunächst selbst durch eine Vielzahl von Sensoren und teilen schon im laufendem Betrieb dem Zugpersonal über eine App die Betriebszustände aktuelle und künftig mögliche Störungen mit. Zugleich werden die Daten in eine für Auftraggeber, Betreiber und die Wartungsfirma zugängliche Cloud geschrieben, so dass 90% der anstehenden Instandhaltungsmaßnahmen schon vor Eintreffen des Zuges im Werk bekannt sind. Dieses System „Railigent“ erfasst europaweit alle Fahrzeuge, die von Siemens hergestellt wurden und laufend unterhalten werden. Dazu kommt eine aufwendige Radsatzdiagnoseanlage, welche die Züge gleich beim Eintreffen vor Einfahrt in die Wartungshalle überprüft.
Durch die Vielzahl der übermittelten Daten werden Fehlerquellen sicher identifiziert und die Unterhaltung wird besser planbar. Ein Zentrallager liefert Ersatzteile innerhalb von 24 Stunden. Es kann auf feste Zeitintervalle zum Teiletausch verzichtet werden („Predictive Maintenance“) und das Risiko eines Fahrzeugausfalls im laufenden Betrieb sinkt.
Die Züge durchlaufen 8 mal jährlich eine standardisierte Unterhaltung für die Dauer von 8 Stunden.
Die lange Vertragslaufzeit von 32 Jahren für die Instandhaltung der RRX-Züge ermöglichte Investitionen in diesen hohen technischen Ausrüstungsstandard des Werks Dortmund. Dieser Zeitraum entspricht zudem der vsl. Nutzungsdauer des Werks. Von dem Gesamtauftrag von 1,7 Mrd.€ entfallen allein 900 Mio.€ auf die Wartung. Neben den RRX-Zügen, von denen derzeit erst 42 von geplanten 82 Zügen gebaut sind, wartet das Werk derzeit auch ICE-Züge (Siemens-Typ „Velaro“). Zahlreiche Sicherungseinrichtungen ermöglichen zudem eine sichere Fahrzeugabstellung über Nacht. Dennoch werden die Betreiber ihre Fahrzeuge eher an den für sie betrieblich günstigen Standorten abstellen.
Es ist daher ein wesentliches wirtschaftliches Ziel von Besteller und Auftragnehmer, die Wartungskosten über die gesamte Lebensdauer der Fahrzeuge kalkulierbar zu halten. Dies erfordert eine Modellierung des Lebenszyklusses der Fahrzeuge, Verfügbarkeitskonzept, Obsoleszenzmanagement und eine gesicherte Ersatzteilversorgung. Ziel ist eine 100%-ige Verfügbarkeit der Fahrzeuge.
Das Werk beschäftigt 100 Mitarbeiter(innen). Hier konnten bei der Personalgewinnung attraktive Konditionen geboten werden mit Arbeitsplätzen, die über die Vertragslaufzeit sicher scheinen. Einige dieser Mitarbeiter wurden auch schon bei der Fahrzeugproduktion in Krefeld eingesetzt, so dass hier schon im Vorfeld der Aufnahme der Wartungstätigkeit in Dortmund umfangreiches Know-how und eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Produkt aufgebaut wurde.
Nach einem Rundgang durch das Werk erläuterte Herr Gregor Böck, Leiter der Projektgruppe RRX beim VRR das Modell, Fahrzeug und Betriebskonzept aus der Sicht des Aufgabenträgers und Bestellers.
Der VRR hat seit einigen Jahren im Rahmen der vom ihm als Aufgabenträger geschlossenen Verkehrsverträge auch die Fahrzeug-Finanzierung und -beschaffung übernommen. Er besitzt derzeit 280 Schienenfahrzeuge.
Das Großprojekt RRX konnte nur durch die Kombination von Infrastrukturmaßnahmen und Fahrzeugbeschaffung ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis erzielen. Das Betriebskonzept sieht einen 15-Min.-Takt auf der Hauptachse Dortmund-Essen-Düsseldorf-Köln mit neuen beschleunigungsstarken Zügen und deren Verlängerung in die „Außenäste“ vor. Es sollte ein Lebenszyklusmodell entstehen, und weitere Synergieeffekte durch eine hohe Anzahl baugleicher Fahrzeuge und die Verbindung von Beschaffung und Instandhaltung erzielt werden. Zusätzlich wurden der Fahrbetrieb und auch die Finanzierung separat ausgeschrieben. Bei der Fahrzeugbeschaffung wurden Kaufpreis, Verfügbarkeit und Energieverbrauch jeweils etwa zu einem Drittel gewichtet.
Dank 15 t. Mindergewicht gegenüber einem Wettbewerbsprodukt konnte der Desiro HC besonders beim Energieverbrauch punkten. Der in der Ausschreibung behauptete Verbrauch musste jedoch nach Zuschlagerteilung in einem Testprogramm auf den Prüfzentren Wildenrath und Velim (CZ) nachgewiesen werden, andernfalls hätte der Hersteller den Betreibern die Mehrkosten für deren Vertragslaufzeit erstatten müssen.
Die Verträge mit den Betreibern einerseits und dem Hersteller / Instandhaltungsunternehmen sehen eine eindeutige und klare Aufgabenverteilung vor.
An Infrastrukturmaßnahmen sind zunächst Bahnsteigverlängerungen auf 215 m. geplant.
Ab 2030 soll ein 6-gleisiger Ausbau zwischen Düsseldorf-Benrath und Duisburg auf diesem Abschnitt eine „fliegende Überholung“ durch den Fernverkehr ermöglichen. In Düsseldorf Hbf. sind daher umfangreiche Umbauten geplant. In Dortmund wurde dagegen aus Kostengründen auf den Ausbau des Ostkopfes (Überwerfungsbauwerk für die Strecke nach Münster) aus Kostengründen verzichtet.
Die zu den Vorträgen gezeigten Präsentationsfolien Siemens und VRR sowie einen Fahrzeugprospekt Desiro HC finden Sie im Download Bereich.
Unser anschließendes Sommerfest in der „Depothek“ fand diesmal, nicht zuletzt bedingt auch durch unser 70-jähriges Vereinsjubiläum unter besonders hoher Beteiligung statt.